Osterbrief

Liebe Gemeinde!

Ostern möchte uns Menschen eine große Zukunft verheißen. Eine Zukunft, die besagt: Das Leben überdauert den Tod! Eine unglaubliche, unfassbare Verheißung.

Zurzeit allerdings sieht unsere Zukunft alles andere als verheißungsvoll aus. Ein jeder/eine jede erfährt es hautnah, wie sich durch die Ausbreitung des Coronavirus das Leben pervertiert. Was eigentlich als Zeichen der Zuneigung und Zuwendung der Menschen zueinander als höflich und herzlich gilt, wird in diesen Tagen zu einer Gefahr, zu einem Risiko, zu erkranken. Und was als unhöflich und abweisend gilt, wird auf einmal zum Schutz und zur Rücksichtnahme auf andere Menschen: Kein Händeschütteln, keine herzliche Umarmung mehr, Abstandhalten ist das Gebot der Stunde.

Es scheint, als haben die Atmosphäre des Gründonnerstages, die Verlassenheit Jesu am Ölberg, die Einsamkeit Jesu am Kreuz des Karfreitags das Wort. Niemand weiß, wie lange noch diese Situation der Gefährdung unseres Lebens andauert. Gibt es überhaupt jemals wieder ein „normales“ Leben ohne Corona? Zurzeit schwer vorstellbar.

Es ist auch im Leben unserer Kirche und im Leben unserer Gemeinden das erste Mal überhaupt, dass es keine liturgische Feier, der sonst so atmosphärisch dichten Kar- und Ostertage gibt, kein Osterfeuer zur Entzündung der Osterkerze, keine Taufwasserweihe – das Zeichen der Lebendigkeit und des Lebens, das über uns ausgesprengt wird. Und noch immer gibt es Menschen unter uns, die diese Situation auch jetzt noch nicht wahrhaben wollen, und so andere Menschen gefährden.

Vielleicht spüren wir gerade in diesen Wochen – mehr als sonst – dass das Leben nirgendwo sonst so in Frage gestellt wird, wie durch die Realität und Radikalität des Kreuzes am Karfreitag. Vielleicht spüren wir aber auch, dass die Frage nach dem Leben nirgendwo sonst so glaubhaft beantwortet wird, wie durch das Kreuz. Schon Paulus schreibt an die frühen Christen in Korinth: „Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für die Juden ein empörendes Ärgernis, für die Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ 1Kor. 1,23f).

Ja, Gottes Stärkung und Gottes Weisheit sind von Nöten, um durch die Dunkelheit der Einsamkeit, der Verlassen und des Todes hindurch, wenigstens ein kleines Licht leuchten zu sehen:

Das Licht der Auferstehung Jesu, an dessen österlichem Leben wir durch die Taufe schon jetzt teilhaben dürfen. Ostern ruft uns erneut – vielleicht gerade jetzt in diesen Tagen und Wochen und Monaten(?) der „Nichtalltäglichkeit“ – ins Bewusstsein, dass nicht Dunkelheit, Pandemien, Krankheit und Tod das letzte Wort über unser Leben haben. Ostern ruft uns auf, tiefer zu schauen als nur bis auf die Oberfläche unseres Lebens. Ostern macht uns deutlich, dass wir unsere hilflosen Hände in die hilfreichen Hände Gottes legen dürfen. Hier haben wir nur Heimat auf Zeit oder heimatlose Zeiten? Bei Gott ist uns seit dem Ostergeschehen eine zeitlose Heimat verheißen. Wir gehen unseren Weg aus unserer manchmal so heillosen Zeit in Gott zeitloses Heil.

Und gerade das macht das Arbeiten so vieler Menschen so wertvoll, die sich oft bis an den Rand der Erschöpfung einsetzen, die den „Karren“ am Laufen halten in unseren Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kindergärten, Seniorenheimen und an so vielen anderen Orten. Ihnen gebührt großer Dank! Denn sie geben einen österlichen Lichtblick in unserer so verwirrenden Zeit.

Unterstützen wir diese Menschen und auch uns als Gemeinschaft der Kirche Gottes durch unsere österliche Hoffnung und Verheißung, die das Fest der Auferstehung Jesu Christi in uns entzünden möchte, gerade jetzt, wo dieses Osterfest so ganz anderes gefeiert wird als sonst.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien im Namen des gesamten Seelsorgeteams ein gesegnetes, hoffnungsvolles und friedvolles Osterfest.

Ihr Michael Berning, Pfr.


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